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Interview: Mein Parfümheld Luca Turin an den Globus Beauty Days

Vor langer, langer Zeit war ich im Internet auf einem Forum aktiv, in dem Kosmetik und Parfüm ein grosses Thema waren. Ein Buch wurde dort immer und immer wieder erwähnt und bald hatten wir es alle gelesen:

Perfumes

Perfumes The A-Z Guide von Luca Turin und Tania Sanchez (hier erhältlich oder die Kurzversion mit all den besten Düften hier). In diesem wunderschönen, schweren Buch bewerten der Biophysiker Luca Turin (zurzeit erforscht er gerade den Geruchssinn von Fliegen) und die Parfümsammlerin und Bloggerin Tania Sanchez auf über 600 Seiten praktisch jedes erdenkliche Parfüm. Und das tun sie mit ganz viel Witz und einer unglaublichen Menge Wissen. Luca Turin ist Schweizern vor allem ein Begriff wegen seiner Kolumne „Duftnote“, die er im NZZ Folio zehn Jahre lang verfasste (ein Archiv seiner Beiträge findet Ihr hier, leider nur für NZZ- oder Folio-Abonnenten). Ich habe sein Buch damals und seither immer wieder verschlungen und viele Parfüms ausprobiert oder gekauft, weil er sie empfohlen hat. Man kann also durchaus sagen, dass ich wohl seit gut zehn Jahren ein Fan von Luca Turin bin.

Daher musste ich vor ein paar Wochen keine Sekunde überlegen, als mich Globus anfragte, ob ich an einen Vortrag von Luca Turin im Globus Zürich im Rahmen der Globus Beauty Days kommen möchte. Und als mir dann zusammen mit anderen Journalisten noch ein Interview mit meinem Parfümhelden angeboten wurde, war ich natürlich auf Wolke sieben. Generell sagt man ja, dass man seine Helden nie treffen soll, weil sie einen unweigerlich enttäuschen werden. Aber das Interview mit Luca Turin war einfach nur wundervoll. Besonders, weil er ein absolut fantastischer, mega sympathischer Typ ist. Humorvoll, warm und offen. Und er sprudelte natürlich förmlich über mit Parfümwissen. Und ich will es mir nicht nehmen lassen, das grossartige Interview mit Euch zu teilen.

 

Der Parfüm-Kauf kann ja oft etwas überwältigend sein. Wie geht man am besten vor, wenn man einen neuen Duft sucht?

LT: Okay, Sie nehmen ein schönes dickes Buch und einen Bleistift und gehen damit in eine gute Parfümabteilung. Die hier im Globus ist grossartig. Nehmen Sie sich einen ganzen Tag Zeit. Gehen Sie durch die Parfümabteilung und sprühen Sie Düfte auf Papierteststreifen. So viele wie Sie können. Stecken Sie jeden Streifen zwischen zwei Buchseiten, damit sich die Streifen nicht berühren und kontaminieren. Schreiben Sie auf jeden Streifen, welcher Duft es ist. Nach dem Mittagessen setzen Sie sich hin und riechen die Streifen. Erst jetzt haben sich die Düfte richtig entwickelt und Sie riechen das langlebige Herz und die Basisnoten. Am nächsten Morgen riechen Sie noch einmal an den Streifen. So finden Sie Düfte, die Ihnen wirklich gefallen. Wir geben uns beim Parfümkauf generell viel zu wenig Zeit.

Bewerten Sie einen Duft nach Preis, Flakon oder Verpackung?

LT: Ich bin so ein extremer Parfüm-Snob, dass solche Dinge für mich schon wieder keine Rolle mehr spielen. Manchmal liebe ich die teuersten Düfte, manchmal die billigsten. Düfte wie Ma Griffe oder Tabu waren tolle, aber ausgesprochen billige Kompositionen und der Parfümeur war stolz darauf. Weil sie der Firma viel Geld einbrachten.

Gibt es Düfte, die Sie nicht ausstehen können?

LT: Ja, die ganze „Woody Amber“-Kategorie (Hölzer und Ambra). Die riechen wie Reinigungsalkohol. Schon eine 1%-ige Lösung ist absolut unerträglich. Das ist, als ob man Alufolie kaut. Sie sind so beliebt, weil Eichenmoos in Parfüms verboten wurde und woody ambers einen ähnlichen Effekt haben. Schrecklich.

Können Sie sich an den ersten Duft erinnern, den Sie gerochen haben?

LT: Meine Mutter trug Diorama. Ein fantastisches Kunstwerk. Und Habanita von Molinard. Ein Parfüm aus den 20ern. Ich fand ein kleines Fläschchen auf dem Boden unserer Wohnung und schmeckte es mit meiner Zunge. Ein unglaublich vulgäres Parfüm. Seither liebe ich vulgäre Düfte. Als Kind hätte ich das natürlich nicht so formuliert. Und seither weiss ich, dass man Parfüms nicht mit der Zunge schmecken soll.

Wann ist Parfüm in Ihren Augen zu teuer?

LT: Die Schweiz ist ja sowieso sehr teuer. Für mich ist der Preis für ein gutes Nachtessen für zwei das Limit. Für alle Genussmittel übrigens. Wenn ein Parfüm mehr als 300 Franken kostet, fängt es an, weh zu tun. Und für 300 Franken bekommt man ein sehr gutes Essen für zwei Personen. Man darf bei Parfümpreisen auch nie vergessen, dass das Parfüm, der Duft, nur etwa ein Fünfzigstel des Preises ausmacht. Der Rest des Gelds wurde für Marketing, Verpackung, Entwicklung etc. verwendet.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie eine besondere Gabe besitzen?

LT: Als mir Freunde sagten, ich solle ein Buch über Parfüms schreiben, um dann endlich aufzuhören, ständig nur über Parfüms zu sprechen. „Hör auf, uns mit Parfüms zu langweilen, und schreib ein Buch!” Dann habe ich übers Internet ganz viele gleich verrückte Menschen wie mich gefunden. Mein Geruchssinn ist nichts besonderes. Ich vergebe vieles, vor allem wenn ein hübsches Mädchen einen schlechten Duft trägt. Bei Männern bin ich weniger tolerant. Die übertreiben es, weil sie Frauen gefallen wollen.
Nach unserem Interview machten wir noch einen Rundgang durch die schöne Kosmetikabteilung des Globus Zürich. Bald findet man dort neue Marken wie Kilian (ausgezeichnete Luxusparfüms) oder By Terry (der Lippenbalsam mit Rosen hat Kultstatus). Die Parfümabteilung ist eine der bestsortierten der Stadt.

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Für den Herbst sieht Globus Vanille als einen Haupttrend und ganz ehrlich: Ein guter, warmer Vanilleduft geht immer! Mir hat Tobacco Vanille von Tom Ford besonders gut gefallen. Ein wahnsinnig leckerer, würziger Duft mit Tonkabohnen, Pfeffer, Tabak und Kakao – absolut perfekt für die kalte Jahreszeit.

Luca Turin

Dann durften wir noch etwas mehr Luca Turin geniessen, an seinem öffentlichen Vortrag. Hier ein paar interessante Auszüge daraus:

Anfang 2000 hörte Luca Turin auf, über Düfte zu bloggen, weil die Parfüms auf dem Markt so schlecht waren, dass man glauben konnte, das Zeitalter der Parfüms sei vorbei. Multinationalen Unternehmen ging es nur noch darum, Geld zu machen. Die EU hatte gewisse Parfümzutaten verboten, weil sie angeblich allergische Reaktionen auslösten. Einige dieser Zutaten waren wichtig für die Parfümindustrie, aber kaum eine Firma wehrte sich gegen das Verbot. Nischen-Parfümerie hat die Parfümindustrie gerettet mit ihrer Kreativität. Es gibt ungefähr 6’000 kleine, unabhängige Parfümunternehmen und die kreieren innovative, kunstvolle Düfte. Vielversprechend ist, dass immer wieder neue Moleküle erfunden werden, was zu neuen, interessanten Duftkompositionen führt.

Viele Parfüms, vor allem von grossen Unternehmen, riechen gleich, weil die Firmen bei einander abschreiben. Sie analysieren die Noten von Parfüm-Bestsellern anderer Marken und lassen ihre Roboter (ja, heute mischen Roboter unsere Parfüms) dann einfach etwas Ähnliches zusammenmischen. Manchmal wagen auch grosse Firmen etwas Neues, aber das floppt praktisch immer. Denn die Konsumenten wollen riechen wie alle anderen. Niemand will als „anders“ herausstechen. Der breite Markt will also Parfüms, die alle möglichst gleich und unauffällig riechen – und die Firmen liefern genau das.

Luca Turin räumte auch mit gewissen Klischees auf: Parfüm riecht NICHT an jeder Person unterschiedlich, sondern an allen gleich. Sonst müsste man schon einen sehr strengen Körpergeruch haben. Es gibt nicht das EINE Parfüm, das perfekt zu einer Person passt. Und das Parfüm, das man trägt, sagt nicht wirklich viel über die Persönlichkeit aus.

Man sollte nie einen Duft spontan kaufen, nur weil man ihn nach dem ersten Schnuppern mag. Gewisse Düfte haben eine unglaublich grossartige Kopfnote und danach ist die Luft dann völlig raus (Beispiel: Marc Jacobs Decadence). Kopfnoten verschwinden meistens nach ca. 20 Minuten und erst was danach kommt, ist wirklich massgebend, denn das riecht man dann für den Rest des Tages.

Luca Turin trägt kein Parfüm (mehr), weil er findet, dass Männer nicht riechen sollten. Sauber, ja, und nach frischer Wäsche, aber nicht nach Parfüm. Da stimme ich nicht mit ihm überein.

Ein Parfüm kann auch nach 100 Jahren noch absolut perfekt riechen, wenn man es richtig lagert. Nicht zu warm und im Dunkeln. Wenn ein Parfüm sich dunkel verfärbt und an Volumen verliert, ist es nicht mehr gut.

Luca Turins absolutes Lieblingsparfüm ist Mitsouko von Guerlain. Ich höre diesen Namen immer wieder und muss den Duft unbedingt mal riechen. Auch wenn die aktuelle Version nicht mehr genau so riecht wie das Original von 1919.

Und der letzte Parfüm-Bestseller, den er wirklich mochte, war CK One. Lustig, den habe ich früher immer getragen, als ich meinen Mann kennenlernte. Einer seiner besten Freunde auch.

 

Jetzt habt ihr so ziemlich alles gelesen, was Luca Turin zu sagen hatte. Ich kann Euch wärmstens empfehlen, seine Bücher zu lesen und neue, ungewöhnliche Düfte auszuprobieren. Parfüm ist eine richtige Kunstform und hat so viel mehr zu bieten als all die langweiligen, blumigen Wässerchen, die fast monatlich auf den Markt kommen. Riecht mal ein paar der alten Klassiker (die stehen meistens ganz zuunterst im Gestell). Und seht Euch im Internet nach kleine Parfümfirmen um. Es gibt viel zu entdecken!

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